Jetzt ist er doch einmal fällig, mein Bericht über Paris-Brest-Paris 2011. (1230 Km/11.000 HM) Ulli Schober im Sept. 2011)
Tja, was soll ich sagen. Es war ein Teilerfolg denn ich habe (wie schon bekannt) nur 618 Km bis Brest durchgehalten und musste dann wegen unerträglicher Rückenschmerzen und einem Krampf im Oberarm aufgeben. Ich und aufgeben? Bis dato für mich ein Fremdwort. Aber der Reihe nach:
1. Anreise
Gemütlich sind Christel und ich über Frankfurt (1 Nächtigung) und Essen (3 Nächtigungen), alles bei meinen Brüdern Christian und Wiggi, am Samstag den 20.8. in Paris, genauer in St. Quentin-En-Yvelines dem Startort, eingelangt. Ferdinand Jung, der österreichische Brevetveranstalter, hat im Nachbarort in einem Restaurant abends das Treffen aller 32 Österreich Teilnehmer organisiert. Am 20.8. war das Wetter noch hervorragend, die Stimmung auch.
2. Sonntag 21.8.
Der Sonntag wurde damit verbracht sich die Startnummern zu holen, das Rad wegen Licht u.a. kontrollmässig abnehmen zu lassen und die ersten Startblöcke von insgesamt 5.225 Startern aus der ganzen Welt zu verabschieden. Immerhin starteten am Sonntag so an die 4.500 Starter. Der Tag war sonnig und heiss und die Starter waren schon vor dem Start gezwungen im Startkorridor bis zu 2 Stunden (!) auszuharren. Da war ich aber (noch) froh, erst den Montag 5 Uhr früh als meinen Starttermin gewählt zu haben.
3. Montag 22.8.
Der grosse 1. Tag Tag der 3 Tage für die ich lange trainierte und denen ich auch wettermässig vertraut habe, denn als echter Randonneur brauchst ja keine Autobegleiter, wie so viele andere, es muss ein Rucksack am Buckel ja auch reichen. Vertraut habe ich dem Wetter in der Hoffnung, dass es nicht regnet denn da könnte ja das nasse Gewand den Rucksack noch schwerer machen als er schon war.
Nun, um 3 Uhr aufgestanden (konnte nicht mehr schlafen) und um 4 Uhr zum Startort geradelt (das Hotel war nur 2 Km davon entfernt). Bei meinem Starttermin eigentlich um 5 Uhr waren nur mehr ca 700 Starter dabei und es war angenehm dem Gedränge des Vortages zu entgehen. Unser Limit war bei diesem Starttremin 84 Stunden für die 1.230 Km und fast 11.000 Höhenmeter.
Um 5:30 standen wir noch immer am Start und aus der morgendlichen Stille (es war auch noch finster) hörte ich ein leises Klopfen an meinem Helm. Erst zaghaft dann immer energischer wurden wir vorerst einmal alle getauft. Na, Super genau das habe ich nicht gebraucht, fängt ja schon gut an. Doch die Hoffnung siegt und so sind wir vom Start um 5:40 bis zur ersten Verpflegestelle bei Km 140 nur im leichten Regen gefahren und das Spritzwasser ging noch nicht durch und durch. Und von oben trocknest eh durch den Fahrtwind. So kann es weitergehen, dachte ich mir. Wir waren eine schöne grosse Gruppe und zogen mit 35 Sachen durch die noch ebene Bretagne. Tatsächlich standen die Leute jung und alt an der Strecke und feuerten einem an, eine schöne Geste die meine hinlängliche negative Meinung über die Franzosen gleich einmal schlagartig verbesserte.
Derartig "angeheitert" erreichte ich die erste Kontrollstelle bei Km 221 Villaines-La-Juhel um 13:40. Alles wird genau protokolliert und auf der Karte abgestempelt. Die örtlichen Sportvereine haben diese Aufgabe nebst der zu bezahlenden Verpflegung, es gab sogar warme Suppe, Schweinsbraten (!) usw., jeweils toll erledigt.
Nach 20 Minuten, gerade beim rausschieben des Rades aus dem Kontrollraum ein Knall und ein Unwetter der übelsten Art war die Einleitung zum nachfolgenden Drama. Was tun noch weitere Minuten, ev. Stunden warten oder raus auf die mittlerweile überflutete Strasse? Wurscht raus, denn ich hatte ja noch genügend trockene Kleidung im luxuriösem Rucksack und umziehen konnte ich mich ja bei der nächsten Kotrollstelle bei Km 310.
Diese erreichte ich um 18:13 in Fougeres. Herrlich etwas essen und die nassen Sachen, es regnete die 90 Km ununterbrochen, in den Rucksack und wieder raus auf die Strecke. Die nächste Kontrolle war in nur 54 Km Entfernung und entsprechend motiviert begann ich die Sache in Angriff zu nehmen. Die Gegend konnte ich eigentlich nie so richtig ins Auge fassen denn die Brillen waren leider nicht mit Scheibenwischern ausgestattet. Das einzige was ich neben dem immer hügeliger werdenden Gelände bemerkte war ein erstmaliges schleichendes ziehen im rechten Rückenbereich vom Schulterblatt zum Hintern aber ich maß dem noch keine ernsthafte Bedeutung bei.
Die Kontrolle Tinteniac bei Km 364 erreichte ich um 20:47 bei, ja natürlich, Regen. Schnell Kontrollstempel und wieder auf die Strecke nach Loudac wo die nächste Kontrolle nach 75 Km angesetzt war. Die Schmerzen im Rücken wurden ärger und ich musste immer mehr aus dem Sattel gehen und mich nach links, rechts und nach vorne beugen um die Muskeln zu entspannen. Mittlerweile fuhren mehrere vereinzelte Kleingruppen was auch auf das Spritzwasser der Vordermänner zurückzuführen war, dass es zu vermeiden galt.
Auf der Strecke waren auch Geheimkontrollen angekündigt und eine solche (Quedillac) erreichte ich am Montag um 22:50. Eine grosse Turnhalle war es und ich hatte dort die Möglichkeit um € 5 zu schlafen und um weitere € 4 mich zu duschen. (eigentlich wollte ich erst in Loudac schlafen)
Beides nutzte ich und konnte derart nach 3 Std. Schlaf geduscht und ausgeruht mit trockenen Gewand - das nasse hatte ich vergnügt zum anderen nassen in den Rucksack gegeben - und einem Frühstückskaffe mit Weckerl, meine Fahrt nach Loudac fortsetzen.
4. Dienstag 23.8.
Kontrolle Loudac Km 449 Ankunft 7:03. Ein Lichtblick, hatte ich doch einen Reserverucksack mit frischen Dressen mit einem Shuttle (haben Holländer um € 15 organisiert) vorrausgeschickt. Somit wäre die Überlegung bei Km 449 und dann bei der Rückfahrt bei Km 782 über frische Sachen zu verfügen, aufgegangen.
Also alle nassen und mittlerweile stinkende Sachen raus und frische rein. Besser wäre es gewesen die gesamten ca. 300 Km nach Brest und wieder nach Loudac zurück, gänzlich ohne Rucksack zu fahren wie sich gleich darstellen wird....
Also rauf aufs Rad (Regen hat aufgehört) und der nächsten Kontrolle bei Km 525 entgegen. Doch was ist dass? Ein Ziehen im linken Oberarm gesellt sich zu den fortwährenden immer stärker werdenden Rückenschmerzen. Ein Blick nach unten lässt mich schaudern. Der Rahmen steht nach rechts während der Oberkörper durch die verkrampften Rückenmuskel (Schonhaltung) nach links dreht. Eine Dressurnummer ersten Ranges, bringt keiner so leicht zusammen. So sehr ich auch versuche zu entkrampfen ich bringe das Rad nicht aus der schiefen Lage. Die Gegend wird immer hügeliger, immerhin habe ich da schon ca. 4.500 Höhenmeter hinter mir, und ich kann nicht einmal mehr aus dem Sattel um zu stangeln da der Krampf im linken Oberarm ein geradehalten des Lenkers nicht mehr erlaubt. Bedeutet, im Sitzen gibt mir der Popsch Stabilität aber beim Stangeln verdrehe ich den Lenker nach rechts und muss gegensteuern um nicht im Graben zu landen. (Ach, hätt ich nur den Rucksack in Loudac gelassen...)
Derart gezeichnet erreiche ich die Kontrolle Carhaix-Plouger bei Km 525 um 12 Uhr. Was tun? Warten bis die Schmerzen vergehen oder aufgeben oder sich weiter quälen? Ja, quälen eine Stärke von mir. Einiges gegessen und getrunken, ein paar Dehnungsübungen pro forma gemacht und raufs aus schiefe Rad und Brest entgegen. Nach 93 quälenden Km und einer Fahrtzeit von 4,5 (!) Stunden erreichte ich Brest an der Atlantikküste um 16:50 bei...den ersten Sonnenstrahlen seit Montag 5 Uhr früh! Durch den Schmerz erschöpft und mit dem Wissen in Brest gibt es eine Rückreisemöglichkeit per Bahn, entschloss ich mich aus gesundheiltlichen Gründen das Rennen hier zu beenden. Eine schwere aber die einzige richtige Entscheidung um nicht eine körperliche Lette fürs ganze Leben davonzutragen.
5. Mittwoch 24.8.
Der Zug erreichte nach 4 Std. Fahrt Paris Hauptbahnhof um 23 Uhr. Mit einer Art Schnellbahn dann weiter nach Versailles um dort gegen Mitternacht einzulangen. Der Zug war mit einigen anderen "gestrandeten" PBP Teilnehmern gefüllt. So waren wir in diesem Zug so an die 12 PBP Teilnehmer die alle ihre Räder schön eingepackt im Abteil mittransportierten. Manche eher zerdrückt, manche aufgekratzt und wieder andere zu erschöpft um zu plaudern. Ich war so ungefähr ein Teil von allem und - wenn schon denn schon - endlich froh wieder in Paris zu sein.
Da ich von Versailles die 10 Km zurück zum Hotel mit dem Rad (und Rucksack) fahren wollte aber ganz einfach nicht die richtige Ausfallsstrasse (nach 1 Std. Irrfahrt in Versailles) fand, habe ich Christel angerufen und gebeten mich, den gefallenen König aller Radfahrer, vor dem Schloss mit dem Auto abzuholen. So war ich um 3 Uhr früh wieder zurück in St. Quentin-En-Yvlines.
Da ich somit um mindestens 1 1/2 Tage früher zurück war, haben wir den Mittwoch ab Mittag mit einer Paris Reise verschönt und sind am Donnerstag nach Nancy weitergefahren um dann nach einer Nächtigung am Freitag in den Elsass nach Strassbourg und Obernai (ein Weinort) zu fahren. Nach der Nächtigung in Obernai und abendlicher Ertränkung meines Kummers, traten wir am Samstag die Heimreise nach Wien an.
Conclusio:
Es war trotz meiner Aufgabe ein tolles Erlebnis mit über 5.000 Radfreaks aus aller Welt zusammen zu sein.
Fehler, wie schwerer ungewohnter Rucksack, die man macht macht man nur einmal. (hoffentlich)
Die Selbsterkenntnis sich nicht kaputt zu machen, eine neue Selbsterfahrung.
Das Interesse und die Anteilnahme sowie die Anfeuerung und auch die tröstenden Worte aller meiner Freunde und Verwandten möchte ich nie mehr missen. (DANKE!!!!)
Es waren schöne Tage mit Christel in einer für uns (ausser Paris) gänzlich unbekannten Gegend.
Wie geht es mir jetzt?
Die Rückenschmerzen haben sich verzogen, lediglich im Arm verspüre ich noch ein leichtes Ziehen. Bin schon wieder am Rad (ohne Rucksack) ;-)) und freue mich schon auf den 12.9. denn da bin ich 14 Tage auf den Kanaren wo ich einer Gruppe von 12 Personen die Schönheiten von Lanza, Fuerteventura, Cran Canaria und Teneriffa im Rahmen von Miguels Bikereisen zeigen darf.
Eines ist klar, der Rucksack bleibt im Begleitauto und Basta..........
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